Aktuelle News

Auer Fußball Historisch | Vor 20 Jahren – Ralf Minge trainierte die Veilchen

Im November 1995 mußte der FC Erzgebirge Aue in

Trainer Ralf Minge während der Partie gegen den FSV Velten im Oktober 1995, die seine Auer 3:0 gewannen. Foto: Frank Kruczynski
den äußersten Norden der Niederlausitz bis unmittelbar an die polnischen Grenze, nach Eisenhüttenstadt reisen. Die Stadt, früher als Stalinstadt bekannt, entstand als Planstadt während der 1950er Jahre. Gegen den Eisnhüttenstädter FC Stahl setzte es für die Auer Veilchen am 16. Spieltag in der Regionalliga Nordost 1995/96 eine schmerzliche 1-3 Niederlage. Eigentlich waren die Auer mit dem festen Vorsatz zum EFC Stahl gefahren , die 0-5 Schlappe aus dem Vorjahr zu korrigieren und mit einem Auswärtssieg beim Tabellendreizehnten den Abstand zum Berliner Führungsduo Tennis Borussia und 1. FC Union nicht größer werden zu lassen. Aber bereits nach 30 Sekunden war dieses Vorhaben wie eine Seifenblase zerplatz. René Thieme, in seinem ersten Einsatz für Hütte, nutzte eine Freistoßeingabe um per Kopfball mutterseelenallein den Ball ins Netz zu köpfen. Dies war bis dato das schnellste Gegentor für die Erzgebirger in der laufenden Saison. Auch beim 2-0 für den Gastgeber nach einer knappen Viertelstunde machte die Auer Abwehr um Boris Lucic, Moudachirou Amadou und Jörg Palke wiederum keine gute Figur. Von nun an lief überhaupt nichts mehr bei den Gästen. Einzig und allein Torwart Sven Beuckert verhinderte mit Glanzparaden (28./24/38.) gegen frei durchgebrochene Gegenspieler einen größeren Rückstand. In der zweiten Hälfte drückte der Tabellendritte und kam durch Jan Schmidt (72.) zum Anschlußtreffer. Doch Hütte stellte nach nicht einmal drei Minuten später den alten Spielstand wieder her. Schulz verwandelte einen berechtigten Foulelfmeter zum 3-1 Endstand. Aues damaliger Manager Lutz Lindemann formulierte es treffend kurz und knapp: „So kann man auswärts nicht Fußball spielen. Das 2-0 zur Halbzeit schmeichelte uns noch“. Diese Niederlage war der eigentliche Wendepunkt in der Saison 1995/96 im negativen Sinne, die wie auch schon die Spielzeit davor, sehr verheißungsvoll begann. Über Wochen und Monate hielten die Minge Schützlinge direkten Kontankt zur Spitze. Der Saisonstart konnte sich sehen lassen.

Nach dem 2-2 Unentschieden im Heimauftakt gegen Energie Cottbus, folgte der unvergessene 3-1 Auswärtssieg beim Bundesligaabsteiger Dynamo Dresden, dem Aufgrund von finanziellen Schulden die Lizenz für die 2. Bundesliga verweigert wurde und demzufolge in die drittklassige Regionalliga Nordost zwangsabsteigen mußte. Das pikante dabei war, Ralf Minge Aues neuer Trainer, war in der Endphase Trainer bei Dynamo in der 1. Bundesliga.

Mit Ralf Minge sollte der ganz grosse Wurf in Richtung 2. Bundesliga gelingen. Mit dem damals 34-jährigen Ex-Bundesligatrainer konnte Aues Wunschkandidat im Sommer 1995 verpflichtet werden. Mit einem Zweijahresvertrag ausgestattet wollte der neue Fußball Lehrer die Mannschaft in den bezahlten Fußball bringen. Auch im Management ging man beim Traditionsverein neue Wege. Der bisherige Trainer und Manager Lutz Lindemann wurde von seiner Doppelbelastung befreit und mit dem Dresdner Minge der zum Team und zur Mentalität der Erzgebirger scheinbar passende Mann für den Trainerposten geholt. Das Spieleraufgebot wurde erheblich aufgerüstet. Sieben Neuzugänge sollten die Auer stabil in jene Tabellenregionen bringen, wo sie mit ihrer Tradition und einem wunderbar treuen Anhang eingentlich hingehörten. Ein Platz in der Spitzengruppe war ein unbedingtes Muß. Damit die sportlichen Ziele erfüllt werden konnten wurde der Jahresetat um eine Million Mark aufgestockt und betrug damals staatliche 3,4 Mio. Mark. Wichtigste Säule damals wie heute der Förderkreis des FCE.

Am 4. Spieltag gab es zwar den ersten kleinen Dämpfer, weil es beim Spitzespiel Erster gegen Dritter die erste Saisonniederlage bei Tennis Borussia setzte. Trotz Führung durch Henry Berg nach 4 Minuten verlor man das lila-weiße Duell in Berlin noch mit 1-2. Die Konkurrenz enteilte auf fünf Punkte Vorsprung. Zwei Spieltage später, nach Siege über den FC Sachsen Leipzig (2-1/h) und beim FC Berlin (4-0), verkürzte die Minge-Truppe auf nur noch drei Punkte Rückstand zur Spitze, denn Tennis Borussia und Union Berlin gaben beide jeweils ihre ersten Punkte ab, blieben aber ohne Niederlage. Anfang September 1995, am 7. Spieltag, empfingen die Auer den Spitzenreiter 1. FC Union mit ihren Trainer Hans Meyer vor 6.300 Zuschauern im Lößnitztal. Und wieder verlor man (nach eigener Führung) durch ein Kopfballtor von Jan Schmidt (56.) mit 1-2 ganz wichtige Big Points. Trainer Ralf Minge legte deshalb Wert darauf zu betonen, daß seine Elf nicht annähernd ihr derzeitiges Leistungsvermögen ausschöpfe. In den nächsten Spielen und Wochen keimte in Aue jedoch wieder Hoffnung auf. Bis zum 12. Spieltag eilte die Mannschaft von Sieg zu Sieg und verkürzte den Rückstand auf Platz eins (Union) auf 2 Punkte. Fünf Siege am Stück gegen Bischofswerda (1-0/a), Hertha Zehlendorf (3-1/h), Nordhausen (1-0/a), Reinickendorfer Füchse (2-0/h) und Hertha BSC-Amat. (2-1/a) machten natürlich Hunger auf mehr. Dieser wurde auch vor heimischen Publikum am 13. Spieltag gegen den Tabellenvorletzten FSV Velten gestillt. Mit einem nie gefährdeten 3-0 Sieg durch Tore von Jan Schmidt, Mirko Ullmann und Udo Fankhähnel gelang der sechste Sieg in Folge und der Kontakt zur Spitze blieb bestehen. FCE-Coach Minge lobte das Flügelspiel seiner Elf: „Ich habe phasenweise den Fußball gesehen, den ich mir durchgängig von meiner Mannschaft erhoffe. Aber bei der Chancenverwertung müssen wir uns mehr einfallen lassen“.


Aues Aufgebot zu Beginn der Saison 1995/96.
Eine Woche später setzte seine Mannschaft den Höhenflug fort und gewann unter Flutlicht am Freitagabend im Sachsenpokal in Dresden bei Dynamo in einem dramatischen Pokalkrimi nach Verlängerung und Elfmeterschiessen. Die Gäste waren vorallem in der 2. Halbzeit und in der Verlängerung die spielbestimmende Mannschaft. Tomoski (105.) und Fankhänel (110.) trafen aber nur Außenpfosten und Lattenkreuz. Im fälligen Elfmeterschießen jagte Jens Haustein den letzten Ball zum vielumjubelteten 4-2 unter die Latte und Ralf Minge trihumphierte zum zweiten Mal im Rudolf-Harbig-Stadion. Doch jede Serie geht einmal zu Ende. Für den FCE war das nach 7 Siegen am Stück Anfang November 1995 der Fall. „Wir waren nicht in der Lage, das Spiel zu diktieren. Gegen die zweikampfstarke Truppe hatten wir grosse Probleme. Zudem war meine Mannschaft nicht in der Lage, ihre spielerischen Vorteile auszunutzen“, analysierte ein enttäuschter Trainer Ralf Minge nach der 1-2 Niederlage beim FSV Lok Altmark Stendal. Eine Woche später gab es im heimischen Stadion mit einem 3-1 Sieg gegen den Spandauer SV den letzten Drei-Punkte-Erfolg in der Liga im Jahr 1995. Obwohl es aus Sicht von Ralf Minge noch ein Highlight gab. Im Sachsenpokal Achtelfinale siegte er zum dritten Mal gegen seine ehemaligen Dynamos. Freilich war es nur die zweite Mannschaft die am Buß- und Bettag auf Schneeboden in Aue mit 0-2 verlor aber die Genugtung war bestimmt schon groß.
Zur Winterpause, 18 Spieltage waren absolviert, belegten die Auer zwar einen 3. Tabellenplatz aber der Abstand zum 2. Tennis Borussia und 1. Union Berlin war mit sechs bzw. acht Punkten wohl schon zu groß, um ein Wort um die Meisterschaft mitzureden. In der Rückrunde wurden die Veilchen und ihre treuen Fans nach Heimniederlagen gegen Dynamo Dresden (1-2) und dem FC Berlin (2-3) endgültig aller Illusionen beraubt. Nach der peinlichen 0-3 Vorstellung in Velten Ende April 1996 mußte der mit viel Vorschußlorbeeeren bedachte Trainer Ralf Minge gehen, an seiner Stelle trat wieder der frühere Coach Lutz Lindemann. Aue blieb in den restlichen vier Ligaspielen ungeschlagen (2 Siege/2 Remis) und belegte zum Saisonschluß eine 5. Rang, 22 Punkte hinter dem Ersten Tennis Borussia Berlin. (Burg/BF)
Geschrieben von Burg am 28.11.2015, 23:13   (4507x gelesen)