"Aufstiegsspiel" Nürnberg vs. St. Pauli 2001
20.05.2001

FC ST. PAULI - Der Aufstieg

Ja, ja, was hatten die Experten vor der vergangen Saison doch wieder geunkt: Nur einen Etat von 6,5 Millionen, (und damit wäre St. Pauli sogar in der Regionalliga nur auf dem vierzehnten Platz gewesen) so etwas führt unweigerlich in die dritte Liga. Um so geiler war es mit anzusehen, wie die "Billigkicker vom Kiez" einen genialen Fußball zelebrierten und völlig unerwartet um den Aufstieg kämpften. Eigentlich war alles zum Heimspiel gegen Hannover darauf eingestellt gewesen, die vielleicht größte Sensation des Fußballjahres klar zu machen, aber wir sind nun mal St. Pauli und da ist es nun einmal immer nervenaufreibend und niemals klar. Also musste in Nürnberg gepunktet werden, da niemand wirklich mit einem Mainzer Unentschieden oder gar Sieg in Mannheim rechnete. Leider gab es in HH nur 4.500 Karten für Gästefans zu erstehen und die waren sofort weg. Von uns waren leider nur acht Leute am Start, aber die waren morgens bei der Abfahrt des ersten Sonderzuges (4:21 Uhr!!!) bereits sehr gut gelaunt, denn Tags zuvor hatte man mit vielen Freunden aus München bereits die Meisterschaft der Bayern auf dem Kiez feiern können und dies ziemlich heftig. Den Auftakt bildete die obligatorische 1 Liter Dose von FAXE (Bäh) und alle quälten sich das Teil bis Hannover rein. Dann durfte endlich auf die anderen Getränke zurückgegriffen werden (Wodka, Southern, Feiglinge, Kümmerling und richtiges Bier) und mit netten Gesprächen, Schweinewürfeln und Gruppenkuscheln verging die Zeit bis Nürnberg wie im Fluge.

In Nürnberg dann eine nette Überraschung, denn die Polizei hatte auf die in Bayern (naja, wir waren ja auch in Franken) üblichen Schikanen verzichtet und war nur am Rande präsent. So zogen dann die ersten eintausend Paulianer durch die Stadt und suchten sich nette kleine Biergärten zum Einstimmen auf das Spiel. Wir trafen noch zwei Freunde aus Darmstadt und verbrachten die Zeit in einem angenehm gekühlten Bierkeller. Vor und im Stadion eine geniale Atmosphäre, die Nürnberger Anhänger waren supergut drauf und die St. Paulianer ein wenig zittrig. Die Stimmung jedenfalls war höllengut, selten so etwas erlebt, aber es sollte ja noch besser werden. Der Führungstreffer des FCN ließ Schlimmes erahnen und ich widmete mich mehr dem Radio und dem Spiel in Mannheim als dem Spiel selber. Kurz vor der Pause dann der Ausgleich und kollektives Ausflippen beim braun-weißen Anhang. Ich schätze die Zahl der Supporter für Pauli mal auf ca. 6.000, die jetzt anfingen, erste Liga zu wittern. Die zweite Hälfte wurde für uns zum Krimi. Mannheim hatte gerade das 2:0 erzielt und mein Nervenkostüm sich somit total aufgelöst. Zitteranfälle und Tränen in den Augen, so saßen viele von uns vor dem Block und beteten um ein Zeichen der Fußballgötter.

Der neue Fußballgott am Millerntor heißt Deniz Baris, denn er machte ca. eine Viertelstunde vor dem Ende das 2:1 für Pauli und versetzte die Pauli-Fans in die totale Euphorie. Der Schlusspfiff wurde herbeigesehnt und als er endlich kam, lag sich alles in den Armen und so viele Tränen habe ich noch nie beim Fußball gesehen. Ein Traum wurde wahr, die Billigkicker waren aufgestiegen. Die Nürnberger Fans stürmten den Platz und versammelten sich vor der St. Pauli-Kurve. Die Ordner ließen unsere Tore jedoch geschlossen, obwohl der FCN-Anhang mit uns gemeinsam feiern wollte und lautstark forderte "Lasst die Paulis raus" und "Macht die Tore auf". Die Polizei bildete einen Korridor vor dem Zaun und da wir unsere Spieler nicht auf den Schultern tragen konnten, erledigten dies die Nürnberger für uns und man feierte sich gegenseitig in einer Euphorie, die wohl für uns nicht mehr zu toppen sein wird. Viele haben es erst wesentlich später begriffen, was unserer Truppe da gerade gelungen war: nicht mehr Reutlingen, Oberhausen oder Saarbrücken, sondern Bayern, Schalke und Dortmund. Unglaublich. Ich habe noch nie ein Stadion erlebt, in dem 44.000 Zuschauer dermaßen zufrieden und glücklich waren, wie an diesem Tag. Wir machten uns dann geschlossen auf den Weg zurück ins Brauhaus und erst hier wurde klar, was dieser Tag bisher an Kraft gekostet hatte. Keine Jubelgesänge vorerst, wir hingen total in den Seilen und fielen lediglich dadurch auf, dass wir nicht einfach nur Bier bestellten, sondern ab sofort in die uns nun zustehende Arroganz verfielen (wenigstens für ein Jahr) und nur "erstklassige" Speisen orderten. Dann zog man singend zum Zug, qualmte riesige Zigarren und goss Sekt in sich hinein. Die Rückfahrt wurde natürlich feuchtfröhlich und es hielten diesmal außer mir sogar noch zwei weitere Personen durch und zogen ein Pils nach dem anderen.
Um 3:15 Uhr hatte Hamburg uns wieder und es zog uns unweigerlich in die Betten. Als Zweitligist aufgewacht und als Erstligist schlafen gehen - ein sensationelles Gefühl.

Mein Dank gilt allen Beteiligten an diesem Wunder (in erster Linie unserer Mannschaft: DANKE Jungs immer wieder nur DANKE!!), besonders auch den Fans der anderen Vereine, die uns an diesem Tag supportet haben (u.a. habe ich Fans gesichtet von Köln, Darmstadt, Kaiserslautern, BFC, Aue, Mainz, Schalke und sogar Bayern), und natürlich an die Fans vom 1. FC Nürnberg. Es war geil mit Euch.

Aue, in der nächsten Saison seid Ihr mal dran mit aufsteigen. Glück Auf!!!
Maik (North-Side St. Pauli)