FC Erzgebirge Aue: Sven Beuckert - Jörg Palke, Frank Seinig, Moudachirou Amadou - Jens Kempe, Jens Haustein, Frank Rietschel, Francis Makaya, Danilo Kunze - Jörg Leonhardt, Mirko Ullmann; Trainer: Lutz Lindemann
Türkiyemspor Berlin: Erhan Karabacak - Jörg Wolfram, Helge Mankowski, Bego Catic - Mehmet Öztürk, Devrim Aslan, Murat Dogan (65. Thomas Herbst), Ümit Karan, Ömür Boya - Levent Kahraman (13. Michael Fuß), Slaven Caljkusic-Ivanovic; Trainer: Thomas Herbst
Tore: 1:0 Danilo Kunze (37.); 2:0 Frank Rietschel (45.); 3:0 Danilo Kunze (Foulelfmeter, 46.); 4:0 Danilo Kunze (53.); 5:0 Mirko Ullmann (58.); 6:0 Francis Makaya (70.); 7:0 Moudachirou Amadou (79.); 8:0 Danilo Kunze (81.); 9:0 Mirko Ullmann (82.); 10:0 Danilo Kunze (86.)
Schiedsrichter: Jens Cyrklaff (Neuhausen)
Zuschauer: 900
Gelbe Karte: - / Jörg Wolfram, Levent Kahraman, Murat Dogan
Rote Karte: - / Slaven Caljkusic-Ivanovic (59.)
Auer schießen sich Frust von Seele
Das Fehlen von Jan Schmidt (laut Ablösevertrag mit TeBe Berlin nur für zehn Pflichtspiele spielberechtigt) und des verletzten Maik Faßl ließ für die Regionalliga-Partie des FCE gegen Türkiyemspor Berlin eigentlich keine Wunderdinge erwarten. Die Gäste aus Berlin, auch von Verletzungssorgen geplagt, mußten wie Aue am Mittwoch bereits ein Spiel austragen, schlug da im Berliner Pokal den FC Berlin mit 2:1 und erreichte das Finale gegen TeBe Berlin (A). Umso mehr überraschte das 10:0-Schützenfest der Auer.
Aue-Stürmer Danilo Kunze überwindet Türkiyemspor Keeper Karabacak per Foulelfmeter. Es ist das 3-0. Foto: Frank Kruczynski
Von Beginn an suchte der FCE die Offensive - Rietschel verfehlte knapp aus 25 m (10.), Makaya traf aus 20 m nur an das Holz (15.), Seinigs 10-m-Schuß schlug ein Verteidiger von der Torlinie. Die Gäste, bis dahin ohne eine Torchance, verteidigten mit Übersicht. Aues Auslassen von Torchancen ließ nichts Gutes ahnen. Doch sieben Minuten vor der Halbzeit erlöste Danilo Kunze seine Elf und die Zuschauer. Aus zehn Metern knallte er das Leder direkt unter die Querlatte. Fast mit dem Pausenpfiff gelang Frank Rietschel mit herrlichem Distanzschuß das 2:0.
Bereits kurz nach Wiederanpfiff verwandelte Kunze einen Foulstrafstoß sicher zum 3:0. Nun schien es, daß die Mannschaft den Ballast der erfolglosen Spiele der letzten Wochen abstreifte. Sie fand die Freude am Fußballspielen wieder. Die Gäste dagegen fanden sich mit der Niederlage beizeiten ab, hielten von Minute zu Minute weniger gegen. In der 53. Minute folgte Treffer Nummer drei für Kunze, mit straffem Flachschuß aus 12 Metern. Fünf Minuten später traf Ullmann per Kopf nach Leonhardt-Ecke zum 5:0. Jetzt bahnte sich ein Debakel für die Gäste an, die ab der 59. Minute mit nur zehn Spielern auskommen mußten.
Nach seinem Fünferpack feiern die Fans Danilo Kunze als Mann des Spiels. Foto: Frank Kruczynski
Calkusic sah nach einer Unbeherrschtheit "Rot". Spielertrainer Herbst ahnte das, doch auch seine Einwechslung half wenig. Aue spielte sich in einen wahren Rausch, eröffnete in der 70. Minute den zweiten Teil des Schützenfestes. Tor Nummer sechs, durch den "Mann des Tages" (Trainer Lindemann) Francis Makaya, riß nun auch den letzten Zuschauer von den Sitzen. Ein fulminanter 20-Meter-Schuß landete im Dreiangel. Nun hielt es auch Amadou nicht mehr in der Abwehr. Ihm gelang kurz danach per Kopf der siebente Treffer. Kunze mit seinem vierten und fünften Treffer sowie Ullmann erhöhten das Torkonto auf 10:0. Die Gäste empfanden den Schlußpfiff als Erlösung. Jürgen Ullmann, Freie Presse, 08.05.1995
Verschiedene Welten
Aus meiner Sicht, von Jürgen Ullmann
Diese "englische Woche" wird man in Fußball-Aue wohl nicht so schnell vergessen. Zunächst sorgte das 2:3 gegen Union für Ernüchterung im Auer Lager. Dann das frustrierende 1:1 gegen Stendal, das nicht nur Trainer Lutz Lindemann auf die Palme brachte. Doch jene genau 850 Zuschauer, die nach dem Mittwochspiel an diesem Sonnabend erneut den Weg ins Erzgebirgsstadion fanden, wurden für ihre Treue zur Auer Mannschaft belohnt.
Dabei war keinesfalls abzusehen, daß sich gegen den Berliner Fußballclub Türkiyemspor so ein rauschendes Fußballfest entwickeln würde. In der Programmzeitschrift "Veilchen-Echo" tippte A-Jugend-Trainer Heinz Häcker (seit Jahrzehnten im Auer Nachwuchs tätig) ein glattes 6:0 für Aue. Es gab nicht wenige, die ob dieser Voraussage den Kopf schüttelten. Und doch wurden es sogar vier Treffer mehr. Wie läßt sich so etwas erklären? In den Tagen zwischen dem Stendalspiel und der Sonnabendbegegnung setzten sich Mannschaft und Trainer zusammen. Es gab dabei kein Lospoltern, kein Drohen und keine unsachlichen Schuldzuweisungen. In einem "unter die Haut" gehenden Vortrag erzählte Lindemann den Spielern, was Auer Fußball-Traditionen bedeuten, welches besondere Verhältnis zwischen Zuschauern und Mannschaft noch immer in dieser Region besteht. Auch vom Preis einer Eintrittskarte war die Rede, die die vielen arbeitslosen Anhänger Woche für Woche von ihrem Arbeitsamt-Entgelt abzweigen, um ihre Mannschaft spielen zu sehen.
Ohne die Leistung gegen den Sonnabendgegner und auch die Gästeleistung selbst überbewerten zu wollen, scheint sich etwas in den Köpfen der Spieler getan zu haben. Bei Danilo Kunze, um ihn als Beispiel anzuführen, schien es, als schieße er sich mit seinen fünf Treffern den gesamten Frust der letzten Wochen von der Seele. Ich glaube, daß der FC Erzgebirge Aue aus der sportlichen Krise gestärkt hervorgeht. Das wird die Elf beim Regionalliga-Restprogramm sicher unter Beweis stellen. Jürgen Ullmann, Freie Presse, 08.05.1995
|