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Auer Fußball Historisch | Wismut Aue im Dezember 1975 – vom Abstiegskandidaten auf einen 6. Platz

Am 20. Dezember 1975, vier Tage vor Heiligabend, mußte die BSG Wismut Aue am 13. und letzten Hinrundenspieltag zum HFC Chemie. Beim damaligen Tabellendritten, Halle hatte nur 2 Punkte

Auer Schlachtenbummler Dezember 1975 beim HFC Chemie. Auswärtsblöcke, wie heute gab es ja nicht - man stellte sich irgendwo hin. Foto: Archiv Hoffi
Rückstand auf Tabellenführer Dynamo Dresden, holte sich die Mannschaft von Kapitän Dieter „Ete“ Schüßler einen starken Auswärtspunkt. Halle ging zwar schon nach fünf Minuten vor 10.000 Zuschauern durch Vogel mit 1-0 in Führung, doch nach einer Viertelstunde Angriffswirbel beschränkten sie sich nur noch auf langatmiges und wenig effektives Ballgeschiebe. Mit Standfußball war die Wismut Mannschaft an diesen Tage aber nicht zu überraschen. Da einige Spieler beim Gastgeber überdies offentsichtlich Schwierigkeiten mit dem Geläuf hatten, setzten sich die Erzgebirgler um die Mittelfeldspieler Holger Erler und Jürgen Körner immer eindrucksvoller in Szene. Der an diesen Tag aber überragende Spieler auf dem Platz war Gästespieler Dieter Schüßler. Der nur 1,68 m große Wismut-Kapitän war der Dreh- und Angelpunkt im Auer Offensivspiel. Er fühlte sich auf den glatten Boden pudelwohl und setzte Escher und Thomas immer wieder mit genauen Pässen ein.

Seine Vorarbeit zum hochverdienten Ausgleich (62.) war glänzend. Nach langen Sprint von der Mittellinie aufs HFC-Tor zustrebend und vom Gegenspieler Meinert hart bedrängt, konnte er den Ball dennoch Aues Stürmer Hans-Jürgen „Hanser“ Thomas genau auf dessen Schußbein servieren. Schüßler machte um seine Leistung nach dem Spiel nicht viel Aufhebens: „Es lief ganz ordentlich“, freute er sich. „Schade das der zweite Treffer nicht anerkannt wurde. Wir hätten den Sieg wohl verdient“. Er meinte sein Zuspiel, das Teubner fünf Minute vor dem Ende über die Linie des HFC Tores drückte, Schiedsrichter Günter Männig den Treffer aber wegen einer Abseitsposition von Escher nicht anerkannte.

Das Abseitstor sahen die damals nur 70 bis 80 mitgereisten Auer Schlachtenbummler von der Aschenbahn des alten Hallenser Kurt-Wabbel-Stadion im Innenraumes. Dort standen sie seit der 70. Minute, weil die gegnerischen HFC-Fans Stunk

Programm Cover vom HFC Spiel. Foto: Archiv Wolfgang Schwarzer
machten. Einer der damals in den 1970er Jahren schon immer auswärts dabei war, war Jürgen Hoff. Er erinnerte sich. „Wie immer um diese Zeit waren wir Wismut-Fans mit dem Zug nach Halle gefahren. Ich hatte auch noch Geburtstag, also gab es schon vor dem Spiel etwas zu Feiern. Halle stand in der Tabelle oben, wir unten. Also alles andere wie ein Sieg von Halle wäre eine kleine Sensation gewesen. Nur sahen das einige Halle-Fans etwas anders. Schon zur Pause kamen einige in unseren kleinen Block, neben der Tribüne. Polizei, die heute wie selbstverständlich bei solchen Sachen eingreift, war damals Fehlanzeige. Auch die Ordner sahen nur zu. Nach der Halbzeit wurde es immer schlimmer. Es passierte etwas was heute undenkbar wäre. Alle Spieler von Aue bekamen das Geschehen mit. Holger Erler kam ca. in der 70. Minute zu uns Fans und holte uns auf die Aschenbahn. Dann erst kamen Polizisten und paar Ordner. Bis zum Schluss hatten wir Ruhe und feierten den Auswärtspunkt“.

Es war zu diesen Saison Zeitpunkt erst der zweite Auswärtspunkt für die Auer, die mal wieder vor Beginn dieser Oberligaserie als Abstiegskandidat gehandelt wurden. Auch der treue Wismut Anhang gab sich nach dem fast Abstieg in der Spielzeit 1974/75 zuvor keine grossen Illusionen hin. Gründe dafür gab es genug, denn allzuviel stürmte auf die Mannschaft ein. Da war zum einen das Ausscheiden solch langjähriger Stützen wie Dietmar Pohl, Ernst Einsiedel und Manfred Weikert die alle ihre Laufbahn beendeten. Und zum anderen verband sich mit dem sechsmonatigen NVA-Ehrendienst von Konard Schaller und Lothar Schmiedel natürlich ein Substanzverlust, wie er selten zuvor zu bewältigen war. Die nur 3-9 Punkte nach sechs Spielen waren Ausdruck der mangelnden Homogenität, und sechs Zähler nach 10 Runden waren alles andere als berauschend. Dann kam aber der Durchbruch. In den restlichen drei Spielen gegen den FCV Frankfurt/O. (2-1/h), FC Karl-Marx-Stadt (3-0/h) und dem HFC (1-1/a) der 1. Halbserie wurden nicht weniger als fünf Punkte erspielt. Wohlgemerkt: Erspielt und nicht erkämpft! Wismut meisterte die Schweierigkeiten und machte aus der Not eine Tugend. Es erweiterte den Spielerkreis um gleich vier jüngere Spieler und verringerte binnen kurzer Zeit das Durchschnittsalter um gleich vier Jahre. Die Verjüngungskur führte zu keinem Leistungsschwund, auch wenn die Spieler die neu hinzukamen wie Wolfgang Höll (23 Jahre), Harals Mothes (19), Gunter Dieke (23) und Torwart Jörg Weißflog (19) erst Zeit brauchten sich zu profilieren. Aues damaliger Cheftrainer Bringfried Müller urteilte zur Halbserie. „Uns freut besonders, daß wir in der Endphase der 1. Halbserie nicht nur von den positiven Ergebnissen her überzeugten, sondern uns vor allem spielkulturell zu steigern verstanden. Dies soll aber keineswegs Selbstüberschätzung bedeuten, denn wir wissen, daß wir in der Rückrunde zum Beispiel die

Aues Hans-Jürgen Thomas (li.), einer von drei Wismut Spielern die alle 26 Punktspiele in der Saison 1975/76 absolvierte, setzt sich in der Szene gegen den Zwickauer Gunther Lippmann durch. DDR-Oberliga Punktspiel Wismut Aue gegen Sachsenring Zwickau 1-1 am 13. September 1975. Foto: Kruczynski
Effektivität unserer Angriffsspitzen vergrößern, die technisch-taktischen Mittel jedes einzelen verbessern müssen. Auswärts noch selbstbewußter auftreten, wie es in Halle der Fall war, daran müssen wir arbeiten“.

Diese Worte beherzigte seine Mannschaft in der Rückrunde und holte tolle 16 Punkte, was in der seperaten Rückrundentabelle Platz vier bedeutete. Am Ende kam die Mannschaft von Holger Erler, Jürgen Escher und Hans-Jürgen Thomas – diese drei absolvierten alle 26 Punktspiele – auf einen sehr guten sechsten Tabellenrang ein. Am letzten Spieltag verdrängte man den HFC mit einem 2-1 Heimsieg von diesen Rang. Es war die beste Saison Platzierung seit 1965/66. Der HFC holte in der Rückrunde nur noch 7 Punkte.
Viel an Bedeutung waren auch damals schon die sogenannten „Bezirksderbys“. Es waren immer besondere Spiele für die Wismut Fans, egal ob sie zu Hause oder auswärts stattfanden. In jener Saison 1975/76 blieb Aue in allen vier Bezirksderbys gegen den FCK (heute CFC) und Sachsenring (heute FSV Zwickau) ungeschlagen und holte gegen beide Rivalen jeweils vier Punkte. Gute alte Zeiten. (Burg)
Geschrieben von Burg am 03.01.2016, 12:43   (9014x gelesen)