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Spätstarter schlug auf Anhieb ein im „Schacht”

Bernhard Konik auf einer Autogrammkarte aus Wismut-Tagen. Foto: Burg/Archiv

Fast ein Jahrzehnt lang war Bernhard Konik gesetzt beim Oberligakollektiv der BSG Wismut Aue. Zwischen 1982 und 1990 bestritt der heute 60-Jährige 200 Pflichtspiele für die Veilchen, davon 166 Punktspiele sowie 15 Partien im FDGB-Pokal und 19 im UEFA- beziehungsweise Intertoto-Cup. Teamkollegen wie Aue-Fans schätzten den zuverlässigen, stets einsatzstarken und resoluten Linkverteidiger. Heute lebt er mit seiner Familie in Erfurt, verpasst im Fernsehen aber fast kein Spiel des FC Erzgebirge, wie er erwähnt. Kein Wunder, schließlich nennt Konik die Jahre im Lößnitztal seine schönsten als aktiver Fußballer. Zudem ging er seine ersten Fußballschritte schon bei einer BSG Wismut, allerdings in Gera. „Ich war ein Spätstarter, begann erst mit elf Jahren richtig zu trainieren. Mein Bruder Waldemar, zwei Jahre älter als ich, war dort schon etwas länger am Ball und nahm mich eines Tags mit in den Verein”, erinnert sich der Thüringer. Das heißt, eigentlich stammt seine Familie ja aus Oberschlesien, wo Bernhard am 10. April 1960 in Piekary in der Nähe von Kattowitz geboren wurde.

Er war zehn, als die Koniks aus Polen nach Gera zogen. Nach nur zwei Fußballjahren im Wismut-Nachwuchs wurde der Junge an die Kinder- und Jugendsportschule ins benachbarte Jena delegiert. Er durchlief die Jugendmannschaften des FC Carl Zeiss, durfte sogar mit der Junioren-Nationalelf trainieren und gewann mit den Jenaern Bronze bei einer DDR-Nachwuchsmeisterschaft. „Ich nahm meinen Sport damals aber nicht ernst genug, schließlich gab es ja noch Schule, andere Hobbys und hübsche Mädchen. Darum wechselte ich zurück zur BSG Wismut Gera, wo ich mich rasch im Männerkader durchsetzte”, blickt Konik vier Jahrzehnte zurück. Dort bestritt das Talent zwischen 1979 und 1981 knapp 50 DDR-Liga-Einsätze, schnupperte 1980 in der Aufstiegsrunde kurz an der Oberliga. Glück hatte Bernhard, dass er während der 18-monatigen Armeezeit am Ball bleiben durfte, noch dazu bei Vorwärts Gera in der Bezirksklasse. Damals hatten zwei Verantwortliche den jungen Mann auf dem Schirm, Carl Zeiss-Trainer Hans Meyer und der Auer Fußball-Sektionsleiter Richard Velek. Warum der Geraer sich für die Erzgebirger entschied? „Jena war ein international erfolgreicher DDR-Spitzenklub und entsprechend groß die Konkurrenz. In Aue rechnete ich mir größere Chancen auf einen Stammplatz aus. ”Er behielt recht. Kaum von der „Asche” zurück, warf ihn Hans-Ulrich Thomale – ihm noch bekannt als Nachwuchscoach in Jena – ins Feuer. Den ersten Oberligaeinsatz bekam der Jungspund am elften Spieltag der Saison 1982/83, in der 63. Minute für Erhard Süß eingewechselt, bei der 0:4-Niederlage in Böhlen. Eine Woche drauf durfte Konik im Heimspiel gegen Lok Leipzig wieder ran, als Bewacher von „Zwecke” Kühn. „Wir kassierten drei Buden, bei einer hing ich mit drin. Trotzdem vertraute mir der Trainer weiter. Ich fuchste mich ein, wurde nach und nach besser”, erinnert sich der Linksverteidiger. Nur Sperren und Verletzungen unterbrachen den „Lauf”. Seine Aufgabe hieß, die Topstürmer der Gegner zu decken, „sie notfalls bis zur Toilette zu verfolgen”, wie die Trainer damals einforderten. Umso lebhafter erinnert sich Bernhard an sein einziges Oberligator: „Es war der letzte Spieltag 1986/87. Gegen Union Berlin erzielte ich das 4:0 in der 58. Minute. Langer Pass in die Mitte auf die Beine, ich brauchte nur noch ranhalten. Am Ende gewann Aue zu Hause 5:0 und anschließend fuhren wir alle zusammen mit den Familien in den Urlaub nach Zinnowitz.”Ferien auf Usedom und im Winter das Training in Oberwiesenthal, nicht nur für Familie Konik bleibt das unvergesslich: „Spieler, Ehefrauen Kinder – alle waren dabei. Einmalig im DDR-Fußball, das hat zusammengeschweißt. Auch nach den Heimspielen gingen alle ins Sportlerheim: Abendessen, Oberliga gucken, nach Siegen etwas feiern. Später, in Erfurt, gab es das nicht mehr. Jeder bei Rot-Weiß ging nach dem Abpfiff seiner Wege.” Überhaupt, die Atmosphäre im Lößnitztal lässt Bernhard heute noch schwärmen: „Geil, einmalig! Diese Begeisterung bei den Menschen kannte ich zuvor nicht, weder aus Jena, geschweige aus Gera.
Bemerkenswert das Spieljahr 1984/85. Neben 31 Pflichtspieleinsätzen in der Oberliga, im Intertoto-Cup und FDGB-Pokal wurde er am 12. September 1984 zum Freundschaftsspiel der DDR-Nationalmannschaft gegen Griechenland eingeladen, ebenso wie Aue-Keeper Jörg Weißflog. Als linker Verteidiger erlebte er in Zwickau einen 1:0-Sieg. Allerdings hatte er auf seiner Position mit dem Leipziger Zötzsche und dem Dresdner Döschner derart starke Konkurrenten, dass es zu keinen weiteren Berufungen kam. Begünstigt wurde Koniks Debüt durch die Tatsache, dass die DDR am gleichen Tag ein anderes Länderspiel gegen England absolvierte (0:1). Neben Konik profitierten damals auch Wolfgang Benkert, Armin Romstedt und Norbert Rudolph, für die es ebenfalls bei dem einen Länderspieleinsatz blieb. Hintergrund der ungewöhnlichen Doppelveran-staltung: Die Begegnung mit den Griechen stand schon fest, als den DDR-Verband eine Einladung für denselben Tag nach England erreichte. „Es hätte wohl politische Querelen gegeben, hätten wir den Griechen abgesagt”, vermutet Harald Irmscher, damals Co-Trainer der von Bernd Stange betreuten Nationalmannschaft. „Doch eine Einladung nach Wembley sagt man nicht einfach mal ab.” Also fuhr Stange mit Achim Streich & Co. nach London, wo der sein 100. Länderspiel bestritt, während Irmscher in Zwickau Spielern eine Chance gab, die sonst wohl kaum zu Länderspielehren gekommen wären.

Die DDR-Auswahl vor Spielbeginn Länderspiel DDR-Griechenland 1-0 am 12.September 1984 im Zwickauer Georgi-Dimitroff-Stadion. Spielernamen v.l.n.r. aufs Bild klicken...


Höhepunkte der Karriere bleiben auf jeden Fall die 19 internationalen Vergleiche. Es hätten noch mehr sein können, denn 1985/86 verpasste er sechs Intertotospiele verletzungsbedingt (Leisten-OP). „Geärgert hat mich mehr, als wir 1987 im UEFA-Cup gegen Flamurtari Vlora unglücklich verloren und uns in Albanien ein klarer Elfer verwehrt wurde. Denn bei einem Erfolg wäre Aue in der nächsten Runde nämlich auf den FC Barcelona getroffen.” 1985 erlebte er einen bitteren Moment mit, als für die Erzgebirger beim Drittligisten Schiffahrt/Hafen Rostock früh das FDGB-Pokal-Aus kam. Wie erlebte er den anschließenden Rücktritt von Harald Fischer, spielte die Mannschaft gegen den Trainer, wie hinterher behauptet wurde? „Überhaupt nicht, wir Spieler waren zu blind an dem Tag, verloren völlig verdient. Ich weiß nicht wer, aber einer von uns hatte an dem Tag Geburtstag. Also wurde trotz der Pleite in Rostock auf der Heimfahrt etwas gefeiert. Ein Stück vor Aue war Trainer Fischer schon ausgestiegen, sicher hat ihn die gute Stimmung verstört. Wir dachten uns nichts dabei, erst als die Rede ging, wir hätten Fischers Abgang gefeiert, begriff ich die Situation. Deshalb ganz klar, es war eine dumme Geburtstagsrunde nach einer dummen Niederlage, mit dem Trainer hatte es nichts zu tun.” 1987/88 bestritt der Abwehrmann mit 35 Einsätzen seine meisten Pflichtspiele für die Wismut-Mannschaft. Es war auch für seinen Verein ein starkes Jahr, man wurde Gruppensieger im Intertoto-Cup und landete nach Abschluss der Oberligasaison sensationell auf Platz vier.
Konik blieb bis Ende der Saison 1989/90, bis zu Wismuts erstem Abstieg aus der Oberliga, Stammspieler in Aue und bestritt in acht Jahren 200 Pflichtspiele. Warum aber ging Konik nach Erfurt? „Ich wäre selbstverständlich gerne in Aue geblieben, aber niemand sprach mit mir. Mit der Zeit machte ich mir Sorgen, denn ich hatte Familie und das Ingenieur-Fernstudium lief noch. Am Ende fiel mir der Satz von Lothar Kurbjuweit, damals Trainer bei Rot-Weiß, ein: „Kannst jederzeit kommen...” Später erfuhr ich, dass es etliche Angebote für mich gab, doch die Wismut-Verantwortlichen hatten alle verschwiegen: ,Der Konik wird bleiben, um den müssen wir uns nicht bemühen...’ Zornig wechselte ich nach Erfurt und die Trennung von Aue war auch nicht so toll, denn man hatte mir die letzten Wochen ziemlich vergällt.” Längst ist der Schwamm drüber gegangen, Aue im Fernsehen gucken ist heute ein Muss. „Beeindruckend, was beim FC Erzgebirge geschaffen wurde. Mir gefällt der Fußball, den sie spielen, das Team ist gut drauf und ich hoffe, sie halten das Niveau noch lange.”Zwar hatte der Verteidiger 1990/91 noch 22 Oberligaspiele für Erfurt bestritten, mit der Mannschaft Rang drei, die beste Platzierung seiner Karriere, erkämpft und sich für die 2. Bundesliga qualifiziert. Doch der 31-Jährige machte Schluss, nach all den Verletzungen riet ihm sein Arzt dazu. Konik gründete eine Firma für Leuchtreklamen, sie lief gut, doch weil der zweite Sohn, Sebastian, unterwegs und Papa fast nie zu Hause war, startete er Mitte der Neunziger nochmals neu. Er lernte Versicherungskaufmann von der Pike auf, ihm gefiel, mit Menschen zu arbeiten und zu helfen. In Erfurt leitet Bernhard Konik heute eine Allianz-Hauptagentur mit vier Mitarbeitern. Seine Frau ist Anwältin, die Jungs Christian und Sebastian (Letzterer spielte in der Jugend übrigens bei RB Leipzig) sind längst erwachsen. Vorletztes Jahr war er erstmals im neuen Erzgebirgsstadion, mit alten Wismut-Gefährten wurde danach im Aktivist in Bad Schlema gefeiert. Und der Draht zu Volker Schmidt, Ha-rald Mothes oder dem Schelli-Bäck vom Eichert riss eh nie ab.
Geschrieben von Burg am 31.01.2021, 12:27   (1364x gelesen)