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Buchvorstellung – 90 Minuten Erzgebirge Aue

Kurz vor der 500. Partie in der 2. Fußball-Bundesliga gegen Hannover 96 erschien ein neues Buch über den FC Erzgebirge Aue. Es hangelt sich von Minute zu Minute – und setzt auf ausgesuchte Momente im nun bereits 75-jährigen Leben des Vereins. Autor ist Monty Gräßler, Jahrgang 1972, arbeitet als Lokalsportredakteur für die Chemnitzer Freie Presse. Seit 35 Jahren jubelt, bangt und leidet der Erzgebirger mit den Veilchen, wie man den Klub aus Aue auch nennt. "90 Minuten Erzgebirge Aue" ist seine vierte Buch-Veröffentlichung.


Das 144-seitige Buch im Format 21x21 cm (Hardcover, Preis 19,90 €) ist eine herrliche und höchst unterhaltsame Zeitreise durch 75 Auer Fußballjahre. Wer sich mit dem Verein verbunden fühlt oder sogar einige der beschriebenen Spiele live erlebt hat, für den ist das Buch ein Leseerlebnis. Eine schöne Mischung von besonderen und magischen Momenten aus der legendären Wismut Ära und natürlich der Zeit vom FC Erzgebirge Aue den es ja seit dem 1. Januar 1993 unter diesen Namen gibt.

Das Buch ist so aufgebaut, dass jede Minute ein Spiel aus der Geschichte zugeordnet wurde. Herausgekommen sind 99 spannende Kapitel aus der Vereinshistorie mit kurzen Geschichten und vielen Bildern. Dabei wird aus den reichlich vorhandenen über 2.400 Spielen die der Verein nachweislich seit der Saison 1948/49 bestritt, nicht in chronologischer Reienfolge erzählt.
Das tolle am Buch ist, wenn man es dann zum ersten Mal in der Hand hält, man kann mit dem Lesen beginnen wo man möchte – hinten, in der Mitte oder klassisch von vorn – es ist völlig egal. Die kompakten Kapitel ziehen einen gleich in den Bann. Es geht kreuz und quer durch Schlachten und Episoden in der DDR-Oberliga, dem FDGB-Pokal, Intertoto-Pokal, den Niederungen der Nordost-Oberliga, der Regionalliga-Nordost und Nord, im Europapokal, der 3. Liga und vor allem natürlich in der 2. Bundesliga, wo Aue mittlerweile 15 Spielzeiten dabei ist, so lange wie kein anderer Verein in Ostdeutschland.

Der Verlag, der dieses Buch realisierte, Die Werkstatt (gegründet 1981) ist ein deutscher Buchverlag, der schwerpunktmäßig Publikationen zum Themenkomplex Fußball in seinem Programm führt. Diese bilden mit 90 Prozent den Schwerpunkt des Verlagsprogramms. 2019 hatte man diese Idee mit der 90 Minuten Reihe. Den Anfang machten der 1. FC Magdeburg und Schalke 04. Dann folgten Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld. Der FC Erzgebirge Aue war dann als 5. Verein an der Reihe. Enno Brand, für die Öffentlichkeitsarbeit im Verlag zuständig: „Wir haben gemerkt das sich diese Reihe bei den Vereinen bewährt wo es noch nicht so viele Bücher gibt. Beim 1. FC Magdeburg kam das Buch sehr gut an bei den Fans. Bei Eintracht Frankfurt dagegen ist es total untergegangen, weil es dort eben schon sehr viele Publikationen von der Eintracht gibt.“ Im Herbst diesen Jahres soll das nächste auf den Markt kommen – vom 1. FC Köln.

Wer sich näher und intensiver mit der Geschichte des Auer Fußball befasst findet aber auch zwei kleine historische Abweichungen. Dies soll aber nicht als Kritik verstanden werden sondern nur als Hinweis. Im Kapitel 68 „Ein Kantersieg aus dem Nichts“ geht es u.a. um das 1.000 Oberligator von Wismut Aue. Im Heimspiel gegen Stahl Riesa am 26. Februar 1977 erzielte aus Sicht und Zählung der Fuwo (Die neue Fußballwoche, abgekürzt als Fuwo, eine wöchentlich erscheinende Fachzeitschrift in der DDR) Wismut Stopper Frank Espig dieses 1.000 Tor. Es war das Spiel Nr. 671 für Aue in der Oberliga. Die Fuwo zählte aber damals bis zum 16. Spieltag der Saison 1976/77 auch die 2 Tore vom 1953er Entscheidungsspiel von Willy Tröger zum 1-1 und Armin Günther zur Auer 2-1 Führung mit. Wismut verlor bekanntlich am Ende mit gegen Dynamo Dresden 2-3 n.V. und wurde Vizemeister. Deshalb wird der 1.000 Treffer zum 4-0 gegen Stahl Riesa Frank Espig zugerechnet. Zählt man aber nur die reinen Oberligatore (ohne der Übergangsrunde 1955) ist Jürgen Escher, Torschütze zum 6-0, der Eintausendtore-Schütze. So oder so kann man auch beide das 1.000 Tor zurechnen, denn Escher gab die Vorlage zum 4-0 von Espig. Wismut Aue erzielte in den 1.019 Oberligaspielen insgesamt 1.406 Tore. Die Zählung beginnt am 29. August 1951 im Heimspiel gegen Fortschritt Meerane. Bei diesen ersten Oberliga-Spiel von Wismut Aue erzielte Armin Günther (Kapitel Minute 5 im Buch) das erste Oberliga-Tor. Als John Bemme in der 89. Minute beim letzten Auer Oberliga-Spiel in Berlin am 26. Mai 1990 das 4-1 für Wismut schoss war Schluß mit Tore zählen.

Rückseite vom Buch


Die zweite historische Anmerkung bezieht sich auf Kapitel 52 „Ende gut – alles gut“. Am letzten Spieltag in der DDR-Oberliga 1974/75 fiel die Entscheidung an diesen 24. Mai über den zweiten Absteiger. Dieser Kampf erfuhr eine dramatische Zuspitzung im Fernduell zwischen Wismut und Hansa Rostock. Beide waren mit je 19:31 Punkten punktgleich. Doch die Hanseaten hatten das bessere Torverhältnis. Mit Minus 20 gegenüber Minus sechs in der Tordifferenz mußten die Auer am letzten Spieltag auf ein Wunder von Stralsund hoffen. Denn Rostock spielte beim schon feststehenden Absteiger Vorwärts Stralsund (seit dem 23. Spieltag) und jeder rechnete mit einem Sieg für Hansa. Denn die geografische Ausgangslage war ja so, daß sowohl Hansa als auch Stralsund bei einem Abstieg in die Liga Staffel A eingegliedert werden. Die Chance auf den sofortigen Wiederaufstieg kann sich also zwölf Monate später nur für eine der beiden Mannschaften erfüllen. Als dann der Stralsunder Harald Biel den einzigen erfolgsversprechenden Angriff von Stralsund mit der 1-0 Führung (75.) abschließt, bannte sich der Super-Gau für Hansa an. Drei Minuten später scheitert Joachim Streich mit einem Elfmeter (78.) am Stralsunder Torwart Dieter Schöning. Der 1,87 m große Schlußmann der Stralsunder gewann die Fuwo-Punktwertung vor Jürgen Pommerenke (Magdeburg) und Jürgen Croy (Zwickau). Bis zur 85. Minute hält der Tabellenletzte den knappen Vorsprung. Erst dann gelingt Nationalspieler Gerd Kische mit einer Gewaltleistung mittels 40-Meter Sololauf durch die gesamte Vorwärts-Deckung hindurch das 1-1. In den restlichen fünf Minuten schafft Hansa nicht mehr den nötigen Auswärtssieg. Es wäre der erste gewesen in der Saison. Somit stiegen die Rostocker nach 1956 zum zweiten Mal aus der Oberliga ab. Wismut rettet sich nach einem 0-1 Halbzeitrückstand mit 2-1 gegen Erfurt. Frank Stein (52.) und Holger Erler (58.) schoßen die Tore, mit denen sich Wismut noch an Hansa vorbei schummelte und die Klasse auf den letzten Drücker hielt. Dieser Sieg wurde, als das Ergebnis aus Stralsund über die Stadionlautsprecher verkündet wurde, von den nur 5.000 Zuschauern wie eine Meisterschaft gefeiert. Nur der Elfmeter, den Dieter Schöning in der 78. Minute von Streich hielt, wird seitdem überall an den Stammtischen und auch im Buch so erzählt als wäre es in der letzten Minute beim Stand von 1-1 gewesen.
Erhältlich ist das Buch überall dort wo es Bücher gibt. (Burg)
Geschrieben von Burg am 27.03.2021, 17:35   (1727x gelesen)